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[die folgende rezension erschien in kulturwoche.at ...]
Wenn in der Weiterführung von Thelonious Monks Intro: Misterioso in der Komposition von Franz Schmuck The Yodelious Monk das Saxofon zum Kikeriki-Krähen abhebt, spätestens, allerspätestens dann, weiß man, was in den letzten Jahren gefehlt hat: Neue Musik von Broadlahn. Lässt man mal das Live-Album aus dem Jahr 2001 beiseite, so dauerte dieses Fehlen nämlich überlange neun Jahre. Aber eigentlich erkennt man dies bereits nach den ersten 10 Sekunden des Albums, während sich das Karussell von Reinhard Grube langsam zu drehen beginnt. Dieses Gefühl von Heimat, aus der Sichtweise irgendwo mitten vom Rand der Welt, das alles nur Erdenkliche - und das unerdenkliche soundso - miteinander zu verschränken imstande ist, dieses Gefühl hervorzuschälen war immer schon ein besonderes Markenzeichen der steirischen Band. Am Album-Cover sieht man denn auch die Welt als große Wurzel, ein endloses Geflecht, nirgendwo beginnend, nirgendwo endend. Grenzen? Vergiss es! Wir haben nur diesen einen Planeten als Lebensraum und n ur dieses eine Universum als Ursprung. Oder, um im Duktus von Broadlahn zu bleiben: "Des Oa is in da Henn und die Henn is im Oa/des san zwoa in oan und oans in zwoa".
Rückblende. Im Jahr 1982 wird die Band Four in One gegründet und noch im selben Jahr in Broadlahn umbenannt. Aber erst im Jahr 1990 erschien das Debütalbum Broadlahn auf Extraplatte (wo sonst?!), das wichtige Akzente und Impulse für die österreichische Musikszene setzte, mehr noch, es zählt sicherlich zu den wichtigsten Alben, die jemals in Österreich erschienen sind. Acht Jahre vergingen also bis es zum ersten Album kam, drei weitere zum zweiten Album Leib & Seel (Ariola BMG), fünf Jahre später erschien das dritte Studioalbum Almrauschen im Weltempfänger (Extraplatte) und nun, neun Jahre später, Studioalbum Nummer Vier. Für viele Bands wären derart lange Zeitspannen zwischen zwei Studioalben die reinste Katastrophe. sie wären weg vom Fenster, wie man so (un)schön sagt; An Broadlahn prallt derartiges allerdings ab, denn die Wanduhr tickt ja eh unaufhörlich, und bis man zu dem Punkt gelangt Meditative Selbstgespräche bei rhythmischem Ausdauersport zu führen, das kann eben dauern, wenn es sein muss neun Jahre. "Weites Land, du fliegst so durch die Zeit/weites Land, du ziagst vorbei, gestern, morgen, heit" heißt es in einer Strophe, geschrieben von Philipp Rottensteiner, und diese Überwindung von Zeit und Raum, die Überwindung und gleichzeitige Einbettung von diversen regionalen Musikstilen schafft Broadlahn auf dem Album "vom Rand der Welt" in unnachahmlicher Manier, ich behaupte sogar (obwohl das Album erst seit Juni 2007 im Handel erhältlich ist), dass Broadlahn nie so gut war wie auf "vom Rand der Welt". Das mag auch daran liegen, dass die Texte eine spezielle Qualität besitzen, angesiedelt irgendwo zwischen Sehnsucht, Philosophie und Abgehobenheit. Herausragend von 16 hervorragenden Stücken, Jodlern, Liedern, ist das völlig irre Landfunk heute: Das Avunkulat (Onkelkunde u. a.) von Ernst Huber - ja, tatsächlich, auch so kann man ein Lied betiteln, in dem sich Funkbrother Maceo Parker auf Überlandpartie begibt, "und aus an Viech mit vier Haxn/entwickelt sich da Wal/und mir tuan langsam lachn und leise jodeln/und arschling durchn Jungmoaß". Broadlahn erklimmt hier den höchsten Gipfel, quasi den absoluten Rand der Welt. Ein heißer Sprühregen aus Lava prasselt da auf einem nieder, entwickelt und zustande kam ein Welt-Groove, der sich mit allen Groove-Meistern dieser Welt messen kann, aber locker auch noch. Da geht die Post ab. Apropos Post: Diesem Giganten fast ebenbürtig ist das ebenfalls ziemlich abgefahrene Lied Postbus von Reinhard Grube mit der Grundaussage "i hätt so gern/auf Tahiti a Alm", und genauso hört sich das Lied dann auch an.
Aber sie können auch anders. Ganz anders. Beste Beispiele dafür sind Bett für dich allan und die Coverversion Schliaß deine Augen [You can close your eyes von James Taylor; 1971; Anm. d. Verf.]. Letzteres übertrug Josef Ofner in den Dialekt. Heraus kam eine wunderschöne, sanfte Folkballade: "I don't know no love songs/And I can't sing the blues anymore" sang James Taylor, bei Broadlahn heißt es "i sing kane Schnulzn und kane Trauerliader mehr". Bis vor einigen Jahren erhielt eine derartige Ballade hierzulande noch Airplay bis zum Abwinken. Und heutzutage? Mal schauen. In Bett für dich allan (Für Bert Breit) [Bert Breit war ab 1968 Auftragskomponist und Journalist für Radio und Fernsehen und erstellte u. a. die Signation von Axel Cortis "Schalldämpfer". Ende der 1970er Jahre machte er selbst Radiofeatures über Kleinbauern, Jugendprostitution, Hirtenleben, Einsamkeit, Wilderei, aber auch Dokumentarfilme über Dienstboten, Deserteure während des Nationalsozialismus in Südtirol, Flüchtlinge in Tirol, das Ims ter Schemenlaufen, Roma und Sinti, die Zillertaler Geiger. Bert Breit starb im Jahr 2004; Anm. d. Verf.] begibt sich der Broadlahn-Sänger Ernst Huber ebenfalls in das Folklied-Genre, und breitet eben da eine Kurzgeschichte über den Rieger Fritz aus, der alleine in einem Haus auf der Mooshöhe wohnt. Schneeflocken fallen und tanzen durcheinander. Die Gedanken wandern zurück, "du hättst alles für mich sein können/mein Thoreau, mein Wittgenstein/aner, der fürs freie Denken einsam bleibt". Die Einsamkeit. Darum geht es nämlich. Wie denn diese Einsamkeit zu ertragen sei: "Mit sein scheuen Lachn sagt er:/I habs Bett für mich allan/Zitronen, Brot und Knoblauch, das russische Antibiotikum,/der psychophysische Zusammenhang,/und was sagn Sie zur Genforschung?" Einsam auch das Album. Einsam gut. Gibt Kraft für die nächsten neun Jahre. (Manfred Horak in Kulturwoche.at ...)